Gesundheit ohne Vollkasko: Warum Deutschland die teure soziale Hängematte endlich verlassen muss

Hohe Beiträge, lange Wartezeiten, schlechte Leistungen: Das deutsche Gesundheitssystem ist ein Pflichtvertrag ohne Wahlfreiheit.
Hohe Beiträge, lange Wartezeiten, schlechte Leistungen: Das deutsche Gesundheitssystem ist ein Pflichtvertrag ohne Wahlfreiheit. Statt Vollkasko und sozialer Hängematte braucht es eine günstige Basisversorgung und Wahlleistungen gegen Aufpreis. Nur so wird das System wieder fair, tragfähig und ehrlich.

Vollkasko im Gesundheitswesen ist eine Kostenfalle

Das deutsche Gesundheitssystem ist teuer – und gleichzeitig unbefriedigend. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt 2025 bei 2,5 Prozent. Zusammen mit dem Grundbeitrag verschlingt die Kasse bei vielen Arbeitnehmern mehrere Hundert Euro im Monat. Doch was kommt zurück? Lange Wartezeiten, abgespeckte Hilfsmittel, überlastete Ärzte. Ein Viertel der Versicherten wartet mehr als 30 Tage auf einen Facharzttermin. In jedem anderen Vertragsverhältnis würde der Kunde kündigen. Hier aber: Zwang und Pflichtbeitrag.

Politik verwaltet statt reformiert

Seit Mai 2025 steht Nina Warken an der Spitze des Gesundheitsministeriums. Sie will den Primärarzt als erste Anlaufstelle festschreiben und den Zugang zu Fachärzten transparenter machen. Klingt vernünftig – doch während an den Strukturen geschraubt wird, explodieren die Kosten weiter. Die Realität: höhere Beiträge, kaum bessere Versorgung. Hendrik Streeck fordert deshalb, sich von der „Vollkasko-Mentalität“ zu verabschieden. Seine Botschaft: Wer glaubt, unbegrenzt Leistungen ohne Eigenanteil einfordern zu können, ruiniert das System – und schadet gerade den Schwächsten, die dringend auf eine funktionierende Basisversorgung angewiesen sind.

Soziale Hängematte statt Eigenverantwortung

Das derzeitige Modell lädt zum Missbrauch ein. Wer viel einzahlt, finanziert mit, dass andere das System wie eine Hängematte nutzen können: jederzeit Anspruch erheben, ohne selbst in gleichem Maß beizutragen. Die Folge ist nicht Solidarität, sondern Frust bei denjenigen, die zahlen, und Bequemlichkeit bei denjenigen, die sich eingerichtet haben. Eine Gesellschaft, die Gesundheit als Vollkasko versteht, verliert das Gefühl für Maß und Fairness.

Eigenanteil ja, aber fair und klar

Selbstbeteiligung ist in Deutschland längst Alltag. Zehn Euro pro Krankenhaustag, längstens 28 Tage. Die Praxisgebühr wurde eingeführt – und wieder abgeschafft, weil sie nur Bürokratie schuf. Die Lehre daraus: Eigenanteile wirken nur, wenn sie schlank, verständlich und sozial abgefedert sind. Dann aber setzen sie genau die richtigen Anreize: bewusst zum Arzt gehen, Leistungen abwägen, Verantwortung übernehmen.

Günstige Basis, echte Wahlfreiheit

Das ehrliche Modell wäre simpel: eine günstige, schlanke Grundversorgung für alle, klar definiert und zuverlässig finanziert. Darüber hinaus Wahlleistungen gegen Aufpreis – transparent und frei wählbar. Wer mehr Service, bessere Ausstattung oder kürzere Wartezeiten will, soll dafür zahlen. Das würde die soziale Schieflage korrigieren: Heute zahlen viele Tausende Euro im Jahr und erleben trotzdem Mangelversorgung, während andere fast nichts beitragen. Eine faire Basis mit klaren Extras würde Eigenverantwortung belohnen statt Illusionen nähren.

Schluss mit der Pflicht zur Unzufriedenheit

Das deutsche Gesundheitssystem droht, an seiner eigenen Vollkasko-Idee zu zerbrechen. Immer mehr Geld, immer weniger Qualität, immer größere Frustration. Die Frage ist nicht mehr, ob wir uns ein neues Modell leisten können – sondern ob wir es uns leisten können, am alten festzuhalten.

Wollen wir wirklich weiter blind Milliarden in ein kollabierendes Pflichtsystem pumpen – und damit die soziale Hängematte finanzieren? Oder haben wir den Mut, die Basisversorgung günstiger und ehrlicher zu gestalten und Wahlfreiheit zuzulassen?