Pressefreiheit in der EU: Schöne Worte, harte Realität – wie Politiker Medien lenken wollen

Schöne Worte, harte Realität – wie Politiker Medien lenken wollen
Das Europäische Medienfreiheitsgesetz verspricht Schutz für Journalisten. Doch in Deutschland zeigen Kaffee- und Rotweinrunden, gezielte Kampagnen gegen Verlage und wachsende Angriffe: Pressefreiheit endet oft da, wo politische Interessen beginnen.

Einführung – Europäisches Medienfreiheitsgesetz und die deutsche Realität

Am 8. August 2025 trat das Europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFA) in Kraft. Ziel: europaweit einheitliche Standards für Medienfreiheit, Schutz vor politischer Einflussnahme und Garantien für unabhängige Berichterstattung.
Auf dem Papier ein Meilenstein für die Pressefreiheit in Europa. In der Praxis aber stellt sich die Frage: Was bedeutet das für die Pressefreiheit in Deutschland – ein Land, das in internationalen Rankings gut dasteht, aber im Alltag wachsenden Druck auf Journalisten erlebt?

Pressefreiheit in Deutschland – gute Platzierung, schwieriger Alltag

Deutschland belegt im World Press Freedom Index von Reporter ohne Grenzen Platz 10 von 180 Staaten. Ein gutes Ranking, das jedoch täuscht. Hinter den Zahlen stehen gezielte Angriffe auf Reporter bei Demonstrationen, aggressive Anfeindungen durch Lokalpolitiker und subtile Einflussnahmen durch Spitzenpolitiker.

Laut Reporter ohne Grenzen wurden 2024 89 Angriffe auf Journalisten dokumentiert – von körperlichen Attacken bis zu Einschüchterungsversuchen.
Und es gibt eine Entwicklung, die selten offen benannt wird: Wenn ganze Verlage durch politische Kampagnen in eine bestimmte Ecke gedrängt werden, ist das noch Pressefreiheit?
Reibung zwischen Politik und Medien gehört zur journalistischen Kultur. Doch wenn aus Reibung gezielter Druck wird, verschwimmt die Grenze zwischen legitimer Kritik und gezielter Delegitimierung.

Was der EMFA verspricht – und wo die Schwächen liegen

Der EMFA soll:

  • Politische Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen verbieten
  • Quellenschutz garantieren, auch gegenüber staatlicher Überwachung
  • Nachhaltige Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien sichern
  • Transparenz bei Medienbesitz und staatlicher Werbung herstellen
  • Plattformbetreiber zu klaren Standards bei Inhaltslöschungen verpflichten

Doch in den Ausnahmeregelungen steckt Sprengkraft. Wenn Quellen im „öffentlichen Interesse“ offengelegt werden dürfen, bleibt die kritische Frage: Wer definiert eigentlich, was ein „berechtigtes Interesse“ ist – Politiker, Behörden oder unabhängige Stellen?
Gerade in einer EU mit unterschiedlichen politischen Kulturen ist das Einfallstor für Missbrauch groß – auch in Deutschland.

Kaffee, Rotwein und Einfluss – wenn Spitzenpolitiker Redaktionen besuchen

Wenngleich der EMFA formell Einflussnahme untersagt: In der Realität suchen Spitzenpolitiker den direkten Draht nicht nur zu Chefredaktionen und Verlegern, sondern auch zu ganzen Redaktionen. Kaffee und Rotwein – offiziell „informelle Gespräche“, inoffiziell klare Botschaften.
Es wird vermittelt, welche Berichterstattung willkommen ist – und welche besser „entschärft“ werden sollte. Oftmals auf persönlicher Ebene, aber die Botschaft ist selten unklar.

Auf kommunaler Ebene ist der Ton oft noch schärfer: Viele Journalisten erleben verbale Angriffe – nicht nur von Bürgern, sondern auch von Lokalpolitikern. Kritische Berichte werden mit persönlichen Attacken beantwortet, manchmal öffentlich, manchmal hinter verschlossenen Türen. Das Ergebnis: Ein Klima, in dem Selbstzensur zum Schutzmechanismus wird.

EU-weiter Kontext – Pressefreiheit im „existenziellen Kampf“

Die Civil Liberties Union for Europe spricht von einem „existenziellen Kampf“ um Pressefreiheit in Europa. Der EMFA soll diesen Trend stoppen, doch ohne konsequente Kontrolle durch die EU-Kommission und harte Sanktionen bleiben die Vorgaben zahnlos.
Für Deutschland bedeutet das: Die formale Einhaltung internationaler Standards reicht nicht, wenn politische Netzwerke und informelle Machtstrukturen weiterhin die Berichterstattung beeinflussen.

Macht, Definitionen und Umsetzung – die offene Flanke

Das Problem: Gesetze sind nur so stark wie ihre Auslegung. Wenn „berechtigtes Interesse“ oder „öffentliche Sicherheit“ von denselben politischen Akteuren interpretiert werden, die eigentlich kontrolliert werden sollen, ist die Unabhängigkeit in Gefahr.
Hier entscheidet sich, ob der EMFA in Deutschland zum wirksamen Schutzschild wird – oder zur reinen Symbolpolitik.

Pressefreiheit sichern heißt, Macht kontrollieren

Der EMFA ist ein wichtiger Schritt für die Medienfreiheit in Europa – aber kein Allheilmittel.
Politische Einflussnahme, ob durch Gesetzeslücken, gezielte Kampagnen gegen Verlage oder bei einem Cappuccino unter vier Augen, verschwindet nicht allein durch Brüsseler Paragrafen.
In Deutschland ist Pressefreiheit verfassungsrechtlich garantiert. Entscheidend bleibt: Wer hat die Definitionsmacht – und wer den Mut, sie zu kontrollieren?