Anspruch und Realität
Mit dem Nationalpark Unteres Odertal besitzt Schwedt ein Alleinstellungsmerkmal in Brandenburg. Der 1995 gegründete Nationalpark umfasst rund 10.500 Hektar auf deutscher Seite und bildet gemeinsam mit den polnischen Schutzgebieten das erste grenzüberschreitende Großschutzgebiet Deutschlands. Diese Kulisse ließe sich hervorragend als Motor für Tourismus, Stadtentwicklung und Imagepflege nutzen.
Doch laut der im Jahr 2023 vorgestellten Tourismuskonzeption bleiben viele Ideen auf dem Papier. Weder wurde eine handlungsfähige Organisationsstruktur geschaffen, noch ein klarer Fahrplan umgesetzt.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Ein zentrales Problem sind die Finanzen. Mit dem Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen der PCK-Raffinerie fehlen der Stadt jährlich Millionenbeträge. Für das Jahr 2025 sind im Haushalt keine Mittel für Tourismusprojekte eingeplant.
Zum Vergleich:
- Brandenburg insgesamt verzeichnete 2023 rund 14,5 Millionen Übernachtungen.
- Der Landkreis Uckermark (zu dem Schwedt gehört) liegt dabei mit ca. 1,2 Millionen Übernachtungen im oberen Mittelfeld.
- Schwedt selbst trägt trotz seiner Lage am Nationalpark nur einen kleinen Bruchteil bei – genaue Zahlen fehlen, was bereits auf ein Defizit in der transparenten Berichterstattung hindeutet.
Fehlende Strukturen und Produkte
Die touristische Wertschöpfung hängt entscheidend von professionellen Strukturen ab. Mit dem Rückzug des Vereins MomentUM e.V. entstand ein Vakuum. Bis heute gibt es keine tragfähige Nachfolgeorganisation.
Auch die Produkte sind begrenzt:
- Das Stroam Camp am Kanal gilt als gelungenes Beispiel moderner Freizeitgestaltung.
- Doch weitere Angebote – wie digitale Infopavillons oder koordinierte Themenrouten – stocken oder werden aus finanziellen Gründen aufgeschoben.
- Kooperationen mit Nachbarstädten wie Angermünde oder Gartz kommen nicht vom Fleck.
Private Investoren? Fehlanzeige
Besonders kritisch ist, dass es in Schwedt bislang keinerlei nennenswerte Bemühungen gibt, private Investoren für touristische Projekte zu gewinnen. Damit bleibt die Stadt weitgehend auf öffentliche Mittel angewiesen – ein riskantes Modell, wenn gleichzeitig die Haushaltslage angespannt ist.
Während andere Städte gezielt auf Public-Private-Partnerships setzen – etwa beim Bau von Hotels, Ferienparks oder Freizeitanlagen – fehlt es in Schwedt an klarer Ansprache potenzieller Investoren. So bleiben wichtige Impulse zur Diversifizierung der schwächelnden Wirtschaft ungenutzt.
Gerade weil Schwedt stark von der Industrie geprägt ist, könnte der Tourismus einen strategischen Ausgleich schaffen, neue Arbeitsplätze bringen und die Abhängigkeit von einem einzigen Wirtschaftssektor verringern. Doch bislang gibt es kein erkennbares Konzept, private Mittel systematisch in den Standort zu lenken.
- „Demokratie leben!“ in Brandenburg: Fördermillionen ohne klare KontrolleHunderttausende Euro fließen in Brandenburg jedes Jahr ins Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Doch Kritiker warnen: Die geförderten Projekte wirken oft politisch einseitig, die Wirkung bleibt unklar – und ohne Verfassungsschutzprüfung droht Missbrauch von Steuergeldern.
Politische Debatte: Freie Wähler fordern Umsetzung
Ein Antrag der BvB Freie Wähler/Freie Uckermärker brachte die Diskussion zuletzt erneut auf die Agenda. Die Fraktion forderte die konsequente Umsetzung prioritärer Maßnahmen aus dem Tourismuskonzept von 2023.
Im Kern geht es den Freien Wählern darum, endlich sichtbare Schritte einzuleiten – etwa bei der Organisationsstruktur, bei Kooperationsprojekten mit Nachbarstädten oder bei der besseren Vermarktung vorhandener Angebote.
Die Kritik richtete sich klar gegen die Stadtverwaltung, die seit dem Beschluss des Konzeptes im Dezember 2023 keine spürbaren Fortschritte vorweisen konnte. Damit haben die Freien Wähler einen Nerv getroffen: Denn während auf dem Papier Chancen beschrieben werden, fehlt es in der Realität an Umsetzung und Prioritätensetzung.
Vergleich mit erfolgreichen Tourismusregionen
Andere Städte und Regionen zeigen, wie es gehen könnte:
- Angermünde setzt konsequent auf Naturtourismus und profitiert vom UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin.
- Templin hat sich mit der Kombination aus Natur, Therme und Aktivurlaub als Tourismusmarke etabliert.
Schwedt hingegen nutzt sein Potenzial bislang nicht. Besonders die fehlende Verweildauer der Gäste ist auffällig – viele Besucher bleiben nur für einen Tagesausflug.
Politische Verantwortung und Bürgerbeteiligung
Die Diskussion im Stadtentwicklungsausschuss zeigt, dass Verwaltung und Stadtverordnete das Thema bislang nicht ausreichend priorisiert haben. Transparente Prozesse, ein Leitbild und die aktive Einbindung lokaler Akteure – von Hoteliers bis hin zu Kulturinstitutionen – fehlen.
Ohne ein verbindliches touristisches Leitbild droht Schwedt im Wettbewerb mit anderen Regionen abgehängt zu werden.
Die touristische Entwicklung in Schwedt steckt fest. Der Nationalpark bietet ein immenses Potenzial – ökologisch, kulturell und wirtschaftlich. Doch fehlende Organisationsstrukturen, mangelnde Investitionen, eine schwache politische Steuerung und das Ausbleiben privater Investoren verhindern den Durchbruch.
Damit Schwedt von einem Durchgangsort zur Destination werden kann, braucht es:
- eine handlungsfähige touristische Organisation,
- gesicherte finanzielle Mittel auch in Krisenzeiten,
- innovative Angebote, die Gäste länger binden,
- Transparenz und Bürgerbeteiligung in der Ausrichtung,
- eine gezielte Investorengewinnung zur Diversifizierung der lokalen Wirtschaft,
- politischen Willen zur Umsetzung bestehender Konzepte.
Ohne diese Schritte bleibt der Titel „Nationalparkstadt“ eine Worthülse.